Mayday - Wie ich den Absturz eines Passagierflugzeuges verhinderte
Willkommen zurück zu Teil 3 meiner epischen Flughafen-Chaos-Reihe!
Wenn du verpasst hast, wie alles begann, dann lies hier den ersten Teil meiner Airport-Trilogie:
Im 3. Teil nehme ich dich mit nach London. Wie ich hier zwischen Vorahnungen, Falafel-Sandwiches und einem Freund, der mich mal wieder nicht ernst nimmt, zur Heldin werde und einen Flugzeugabsturz verhindere, liest du hier.
Falafel-Sandwiches und andere Enttäuschungen
Nach über 7 Stunden landen wir wohlbehalten in London. Das ist nicht selbstverständlich: Hatte ich doch während des Starts mal wieder Todesangst und war mir sicher, zu sterben. Aber das Schicksal hatte andere Pläne.
Jetzt beginnt die letzte Etappe. Nur noch der Flug von London nach Berlin, dann ist es geschafft.
Wir kämpfen uns von einem Terminal ins nächste. Seit 28 Stunden versuchen wir nun, nach Deutschland zu kommen. 28 Stunden! Unsere Nerven sind gespannt wie Drahtseile, die gleich reißen. Jeder Schritt zieht sich wie ein halber Marathon, jeder Blick auf eine Anzeigetafel könnte die nächste Hiobsbotschaft bedeuten. Mein Körper funktioniert nur noch, meine Seele will gerade zu einer Astralreise ansetzen, als am Ticketschalter, wo wir die neuen Bordkarten für unseren Anschlussflug abholen, die Lage endgültig eskaliert.
Vor uns eine Frau, die auch mit uns im Flugzeug aus Philadelphia saß. In ihrem Gesicht steht ihr die pure Verzweiflung geschrieben. Sie hat ebenfalls den Anschlussflug verpasst und scheint heute nun nicht mehr nach Hause zu kommen. Und jetzt weint sie. Es ist kein diskretes Weinen, kein leises Wimmern. Nein. Sie zerfällt. Ihre Mascara läuft in schwarzen Sturzbächen über ihr Gesicht. Ihre Schultern beben. Eine Szene wie aus einem Katastrophenfilm.
Gerade will ich schon Mitleid haben, aber jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Wir sind hier alle auf uns allein gestellt. Ich habe meine eigenen Probleme. Ich muss jetzt an mich denken.
Also heißt es: weiter. Noch eine Sicherheitskontrolle, noch eine Schlange, noch ein Gate. Irgendwann sitzen wir auf zwei freien Plätzen. Ich bin durch. Ich will nur noch nach Hause. Aber weil wir noch Zeit haben, beschließe ich, mir ein Sandwich vom Bistro gegenüber zu holen.
Die Auswahl fällt schwer. Der Laden hat gute Angebote und ich will jetzt keinen Fehler machen. Ich entscheide mich schweren Herzens für ein Falafel-Sandwich und hinterfrage meine Entscheidung sofort an der Kasse. Aber nun ist es zu spät.
Ich laufe zu meinem Platz. Dort packe ich mein Sandwich aus und begutachte es. Es sieht vielversprechend aus, aber ein Restrisiko besteht bei Falafel-Sandwiches immer. Nun ist der Moment der Wahrheit gekommen: beherzt nehme ich einen großen Bissen. Sofort die Ernüchterung. Es schmeckt nicht. Schon wieder wurde ich um eine Mahlzeit betrogen. Ich rieche Verschwörung. Und während ich angewidert auf dem Sandwich herumkaue, ertönt eine Durchsage: Unser Flug hat eine Stunde Verspätung. Die Flugzeugklos sind kaputt und müssen erst noch repariert werden.
Es gibt ein Problem
Na gut, das mit den Klos ist ein legitimer Grund, da muss man ehrlich sein. Und so eine Stunde geht ja auch schnell vorbei, spreche ich mir Mut zu.
Im Gegensatz zum Flughafen Philadelphia werde ich hier kein weiteres Mal vertröstet, denn nach einer Stunde beginnt tatsächlich das Boarding. Ich kann es kaum glauben. Ich komme tatsächlich doch noch nach Hause.
Mein Freund und ich marschieren durch die Fluggastbrücke Richtung Flieger. Kurz vor dem Einstieg kramt er unsere Tickets hervor, um zu schauen, welche Sitzplätze wir haben.
„Du, es gibt ein Problem“, sagt mein Freund mit Blick auf die Bordkarten. Verdutzt schaue ich ihn an. „Wir sitzen nicht zusammen“, erklärt er.
Das wagt er jetzt nicht, denke ich. Jede Reise erzählt er mir das, um mich zu ärgern, und lacht sich dann halb tot, wenn ich mich aufrege. Aber heute nicht! Nicht nach diesem Tag! Nicht nach diesem ganzen Stress!
Ich spüre die Wut wie Feuer in meinem Bauch. Jede Faser meines Körpers schreit. Ich weiß: Er verarscht mich. Gleich wird er mir die Bordkarten zeigen. Seelenruhig wird er sie auspacken, so tun, als ob er die Wahrheit erzählt. Bluffen wird er, bis zur letzten Sekunde. Und dann wird er mich wieder auslachen, weil ich mich so aufrege. Ich heule innerlich schon, weil ich weiß: Heute ist Schluss. Heute wird der Bogen nicht überspannt.
„Ey, jetzt hör auf, mich zu verarschen. Ich hab da jetzt keine Nerven mehr für!“, pflaume ich ihn an.
„Mach ich nicht“, versichert er und hält mir zum Beweis die Tickets unter die Nase. Tatsache. Da steht es. Schwarz auf Weiß. Ich reiße meine Augen auf. Mein Herz setzt kurz aus. Meine Seele verlässt meinen Körper. Alles in mir krümmt sich, schreit, strampelt, weigert sich.
Vorahnung
Seit Jahren bin ich mir sicher: Wenn ich alleine fliege, wird das Flugzeug abstürzen. Man könnte es Vorahnung nennen. Schicksal. Intuition. Und heute ist es also so weit. Ich soll alleine sitzen. Das ist praktisch alleine fliegen. Das war’s jetzt.
In meinem Kopf sehe ich eine Vision von meinem bevorstehenden Tod. Das Flugzeug hebt ab. Zuerst ein leichtes Ruckeln, dann ein lauter Knall. Wir stürzen ungebremst gen Boden. Dann eine Explosion. Ein Flammenmeer. Koffer fliegen durch die Gegend. Sitze reißen sich aus der Verankerung, baumeln wie lose Zähne in einem viel zu großen Maul.
Ich zucke zusammen, schaue meinen Freund an und sage trocken: „Ich fliege nicht mit!“
Dann bricht es aus mir heraus. Ich fange an zu heulen – ein monumentales Heulen. Tränen laufen unaufhaltsam, schwer über mein Gesicht, schlagen auf meine Hände, als wollten sie mich festhalten. Ich will noch nicht sterben. Nicht heute. Nicht so. Nicht neben fremden Menschen, ganz auf mich allein gestellt.
„Ja, was willst’n dann machen? Hier bleiben oder was?“, fragt mich mein Freund. Anspannung liegt in der Luft. Ich hasse es, wenn er mich nicht ernst nimmt. Kurz will ein Teil von mir doch mitfliegen, nur um ihm „Ich hab’s dir ja gesagt“ entgegenzurufen, falls das Flugzeug abstürzt. Aber das ist es nicht wert. Lieber jetzt am Leben bleiben und ihm zukünftig in hundert anderen Situationen etwas vorhalten können.
„Ja, mir egal“, antworte ich. „Ich flieg da nicht mit“, mache ich nochmal klar.
Er schüttelt mit dem Kopf.
Warum er so gelassen ist und meine Entscheidung hinterfragt, erschließt sich mir nicht. Das Flugzeug wird abstürzen, das ist ganz sicher. Und dann ist auch er tot.
Aber vielleicht sollte ich ihm auch keine Vorwürfe machen. Er hat einfach nicht dieses feine Gespür für Vorahnungen, das man braucht, um drohende Katastrophen rechtzeitig zu erkennen. Manche merken eben erst etwas, wenn es zu spät ist – ich bin da sensibler.
Ich stehe immer noch heulend da. Die anderen Passagiere schauen mich schief an. Sollen sie doch. Jetzt belächeln sie mich und denken sich: „Was ist das denn für eine Verrückte?“ Aber wenn spätestens in einer Stunde das Flugzeug zu einem Feuerball mutiert, da wird ihnen das Leid tun, dass sie mich innerlich als Verrückte abgestempelt haben. Die werden schon sehen.
Irgendwann hat mein Freund dann doch Mitleid – oder er will, dass ich mit meinem Nervenzusammenbruch nicht noch mehr Aufmerksamkeit auf mich ziehe. Jedenfalls nimmt er mich in den Arm und verspricht mir, das Problem zu lösen, während ich mir in Gedanken schon meine Londoner Wohnung einrichte.
Ein einmaliges Angebot
Die Menschen vor uns schieben sich Stück für Stück ins Flugzeug. Dann sind wir dran. Mein Freund läuft geradewegs auf die Stewardess zu, ich trotte heulend hinterher.
„Es gibt ein Problem“, erklärt er der Frau. „Meine Freundin hat große Flugangst und auf den Tickets steht, dass wir nicht zusammensitzen. Können Sie das ändern?“
Gerade will ich hier heulend noch die Dringlichkeit erklären, nämlich dass die Maschine abstürzen wird, sofern wir die Sitzplatzsituation nicht ändern können, aber die Stewardess hat sofort großes Verständnis und beginnt, mich zu trösten. Sie gibt mir eine Flasche Wasser, streichelt mir über die Schulter und verspricht mir, dass wir zusammensitzen können – also mein Freund und ich, nicht die Stewardess und ich. Ich heule immer noch, fühle mich aber besser.
Dann sagt sie zu mir: „Wenn du willst, kannst du auch nochmal ins Cockpit zum Piloten.“ Mein Heulen stoppt augenblicklich. Ich bin aufgeregt. Irgendwie will ich schon, aber mir ist es zu peinlich, ja zu sagen. Schließlich sehe ich total verheult aus, und ein Pilot ist ein Mann mit Rang und Namen. Einer, zu dem man aufschaut. Vor dem sollte ich mich besser nicht blamieren. Und wenn ich dann im Cockpit bin, wie soll ich mich dann verhalten? Einfach nur Hallo sagen? Mir die Bordinstrumente erklären lassen? Fragen, ob ich auch mal die Kapitänsmütze aufsetzen darf?
Ich schwanke hin und her und schüttle dann doch wie ein achtjähriges Kind den Kopf, riskiere aber noch einen kurzen Blick ins Cockpit, als uns die Stewardess zu unseren neuen Plätzen begleitet.
Auf dem Weg dahin starren mich alle Menschen an. Aber das ist mir egal. Schließlich habe ich sie vor ihrem sicheren Tod gerettet. Ich erwarte keinen Dank. Ich bin eher die stille Heldin. Die Bescheidene. Das macht mich sympathisch.
Ich setze mich auf meinen Platz und ärgere mich, dass ich nicht doch noch beim Piloten war. Wie gern würde ich doch mal in so einem Cockpit sitzen. Nicht so schlimm, beruhige ich mich dann aber. Wird wahrscheinlich nicht das letzte Mal sein, dass ich einen Nervenzusammenbruch im Flugzeug bekomme – und beim nächsten Mal gehe ich ganz sicher ins Cockpit.
Dann startet der Flieger, und anderthalb Stunden später kommen wir – nach insgesamt 31 Stunden – endlich in Berlin an.
Fazit
Ich denke nicht, dass ich überreagiert habe.
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Hinweis: Werbung, unbeauftragt! Bei diesem Text handelt es sich um einen redaktionellen Beitrag, der unbeabsichtigt durchaus eine werbende Wirkung beim Leser haben könnte, ohne dass ich von irgendeinem Unternehmen dafür beauftragt wurde!



