Albtraumurlaub in Kairo Teil 2: Schlimmer gehts immer!
Falls du Teil 1 verpasst hast und wissen willst, wie unser Kairo-Abenteuer begann, dann klick hier:
Für alle anderen: Ihr denkt, es könnte nicht schlimmer werden? Haha! Kairo hatte da noch ein paar Überraschungen für uns auf Lager.
Very nice! Very cheap!
6:30 Uhr. Der Wecker klingelt. Die Nacht war schrecklich, doch ich beschließe, optimistisch zu bleiben. Gleich geht es los. Gleich ist Pyramidentag.
Mein Freund stellt den Wecker aus und checkt seine Nachrichten. Eine WhatsApp von Mohamed:
„Ich bin immer noch in der Gegend. Möchte Sie Mittag- oder Abendessen kostenlos kaufen?“
Da die Temperaturen heute 41 Grad erreichen sollen, muss alles ganz schnell gehen. Genau um 8 – wenn die Pyramiden öffnen – wollen wir am Eingang stehen, der ca. fünf Minuten zu Fuß von unserer Unterkunft entfernt ist. Gegen Mittag werden wir dann das Hotel wechseln. Alles perfekt geplant. Heute kann nichts schiefgehen.
Wir verlassen überpünktlich um 7:30 Uhr das Hotel. Der Weg zu den Pyramiden gleicht einem Spießrutenlauf durch eine Armee von Straßenhändlern. Außerdem rufen mir alle Männer „Shakira!“ zu. Ich tue genervt, fühle mich aber insgeheim dann irgendwie doch wie Shakira.
Als wir am Eingang stehen und sehnsüchtig auf das Öffnen der Absperrung warten, weiß ich, wie sich diese Leute fühlen müssen, die am 30.12. noch vor 7 Uhr zu Lidl rennen, um Feuerwerk zu kaufen.
Als ich gerade über Lidl nachdenke, kommt ein Mann auf uns zu. Er hält ein blau-weiß gemustertes Palituch in den Händen.
„My friend, very hot today! You need this, very good quality!“ Er hält es mir hin. Ich trinke wenig begeistert aus meiner Wasserflasche.
„Only ten euros! Special price, just for you!“ „No, thank yout“, entgegne ich knapp und er schaut mich an, als hätte ich gerade seine Mutter beleidigt.
Nur wenige Augenblicke später steht schon der nächste Händler vor uns, als hätte er gerade erst erfahren, dass wir noch kein Palituch gekauft haben.
„Hello, my friend! You need this!“ Er hält exakt das gleiche Tuch hoch wie sein Kollege zuvor.
„Very good quality, handmade!“
Ich seufze. „No, thank you.“ Doch er lässt sich nicht so leicht abwimmeln.
„Special morning price! Only ten euros!“
„I already have sun protection“, lüge ich. Doch das überzeugt ihn nicht.
„But this is Egyptian style! You look like real Bedouin!“
Dann öffnen endlich die Tore.
Wir bezahlen, passieren das Drehkreuz – und plötzlich ist alles anders. Die Welt da draußen, die gibt es nicht mehr. Jetzt gibt es nur noch die Pyramiden und mich – zeitlos und majestätisch. Dieser Ort ist meiner! All die Jahre des Wartens haben sich gelohnt. Und ich spüre es sofort: Ich bin Kleopatra!
Ich sehe hinauf zur Großen Sphinx, spüre die Schwere der Geschichte, werde vollkommen eins mit meinem wahren Ich. Königin, Herrscherin – endlich wieder an dem Ort, der mir gehört. Die Welt macht Sinn, denke ich und gebe mich meiner königlichen Vergangenheit hin.
Plötzlich schiebt sich ein Arm in mein Sichtfeld. Ein Palituch baumelt vor meiner Nase.
„Madam, very nice, very cheap! You need this!“


Die Erkenntnis
Jetzt bloß nicht von den ganzen Händlern die Laune verderben lassen! Das hier ist ein großer Moment!, sage ich zu mir selbst, während neben mir ein Kamel auf den Boden kackt. Jetzt geht es los. Wir bewegen uns in Richtung der Großen Pyramide, und ich kann immer noch nicht glauben, dass wir gleich hineingehen werden. Was wird passieren? Werden Erinnerungen zurückkommen? Wird es einen Riss in der Matrix geben? Wird sich ein Portal öffnen? Werde ich in der Zeit zurückreisen und wieder Herrscherin sein? Vielleicht setzt mir gleich jemand eine Krone auf!? Und was ist eigentlich mit Caesar?
Ich bin aufgeregt, weiß aber: Egal, was passiert – es wird unglaublich.
Ich nehme einen tiefen Atemzug und betrete mit erhobenem Haupt die Pyramide. Sofort schlägt mir stickige Luft entgegen. Der Gang ist schmal, die Decke so niedrig, dass ich mich ducken muss.
Der Weg führt nach oben. Die Luft wird immer wärmer, und immer mehr Menschen vor und hinter mir drängen in die gleiche Richtung. Der Eingang liegt längst hinter mir, irgendwo in weiter Ferne. Vor mir nur ein schmaler Gang nach oben zur Grabkammer.
Ein Geistesblitz: Was ist eigentlich, wenn so ne Pyramide einstürzt?, frage ich mich – und dann frage ich mich sofort, warum ich mir sowas eigentlich frage. Wieso sollte eine Pyramide nach tausenden von Jahren einstürzen? Ich tippe meinen Freund an. „Du sag mal, was ist eigentlich, wenn die Pyramide jetzt einstürzt?“ Er schaut mich nur entgeistert an, schüttelt den Kopf und läuft einfach weiter.
Ich bin sauer. Nie nimmt der meine Ängste ernst. Was soll das? Man wird doch mal drüber reden können!, schimpfe ich innerlich, versuche aber äußerlich cool zu bleiben. Der soll bloß nicht merken, wie mich das gerade ärgert, beschließe ich.
Aber der Gedanke an die einstürzende Pyramide lässt mich nicht los. Je weiter ich den Gang nach oben gehe, desto hartnäckiger wird er.
Ich gehe gebückt, und mir wird klar, dass auch oben in der Grabkammer nicht mehr Platz sein wird als hier unten. Panik steigt in mir auf. Kein Platz. Kein Entkommen.
Jetzt bloß nicht durchdrehen, nehme ich mir vor. Ruhig bleiben. Nichts anmerken lassen. Dann fange ich an zu heulen.
Ich tippe meinen Freund ein zweites Mal an: „Ich muss hier raus!“, keife ich, während er die Welt nicht versteht. Er ist enttäuscht, er wollte doch unbedingt die Grabkammer sehen und wir haben Geld für den Eintritt in die Pyramide bezahlt. Da kann ich jetzt keine Rücksicht drauf nehmen, außerdem habe ich nach der Hotelsache wenig Mitleid mit ihm.
Ich stürze heulend nach draußen und er trottet hinterher. Nach einer gefühlten Ewigkeit: Licht, Luft, Freiheit.
Mit verschränkten Armen stehe ich da. Will jetzt eigentlich auf cool tun, meinen emotionalen Ausbruch runterspielen. Muss mir dann aber doch eingestehen: Ich bin nicht Kleopatra. Und anscheinend habe ich Platzangst.
Polizei - Dein Freund und Helfer
Ich stehe nun vor der Pyramide, desillusioniert, enttäuscht von der nicht einsetzenden Prophezeiung. Mein Freund und ich beschließen, das Ganze erstmal zu verarbeiten, und lassen uns am Rand der Pyramide nieder, wo ein bisschen Schatten ist. Neben uns sitzt ein anderes Pärchen – ob sie gerade dasselbe durchmachen, frage ich mich und starre schweigend vor mich hin.
Plötzlich läuft ein Polizist an uns vorbei. Er bleibt stehen und sagt dem Pärchen neben uns, dass es da nicht sitzen darf. Da wir schlaue Menschen sind, zählen wir eins und eins zusammen und kommen zu dem Ergebnis, dass – wenn die da nicht sitzen dürfen – wir hier auch nicht sitzen dürfen, also stehen wir auf. Wir wollen uns gerade auf den Weg zu einem anderen Schattenplatz machen, da signalisiert uns der Polizist, dass wir sitzen bleiben sollen, und geht weiter.
„Warum dürfen wir hier sitzen und die anderen nicht?“, fragt mein Freund. „Weil ich Shakira bin“, entgegne ich selbstbewusst.
Ca. drei Minuten später kommt der Polizist zurück und steuert direkt auf uns zu. Er hält die Hand auf. „Bakschisch“, fordert er. Das ist Arabisch und bedeutet Trinkgeld. Das haben wir heute zwar schon gelernt, tun aber so, als würden wir ihn nicht verstehen, sagen „Nein danke!“ und hauen schnell ab.
„Wollte der sich gerade von uns bestechen lassen?“, fragt mein Freund, obwohl er die Antwort schon kennt. Ich entscheide, in Ägypten lieber nicht in Schwierigkeiten zu geraten, wenn ich mein Geld behalten will.
Wir schlendern eine Weile über das Gelände, steuern eine andere Pyramide an, als unser Blick wieder an dem Polizisten hängen bleibt. Jetzt thront er breitbeinig auf einem wackligen Plastikstuhl am Eingang der Pyramide.
Seine AK-47 hat er sich lässig über den Schoß gelegt, als wäre sie ein Accessoire und nicht eine potenzielle Kriegswaffe. Rechts und links neben ihm sitzen zwei junge Frauen in Sommerkleidern, bei denen ich mir nicht sicher bin, ob sie freiwillig dort sind oder einfach nur aus Angst. Eine Zigarette baumelt in seinem Mundwinkel, während er grinsend gestikuliert – ein Mann, der genau weiß, wie man die Ladys beeindruckt.
Dann greift er unter sich, zieht einen prall gefüllten Plastikbeutel hervor und enthüllt dessen Inhalt: Zigarettenschachteln. Mit Kennerblick zieht er einige heraus und bietet sie seinen zwei neuen Freundinnen zum Verkauf an: „Better than shop. Egyptian original!“
Aha, denke ich. Hat der also ein Nebengewerbe! Und ich verstehe: Schutz und Ordnung sind hier Nebensache. Hier geht’s um die wahre Macht – Schwarzmarkt und ägyptische Marlboro-Schachteln.


Photo Service, my friend!
Wir lassen uns von dem Polizisten nicht beirren und schlendern weiter über das Pyramidengelände. Die Sonne brennt inzwischen gnadenlos vom Himmel, und ich bin mir sicher, dass ich gleich wieder einen Hitzschlag bekomme. Ein Blick auf die Uhr verrät: Es wird Zeit, zum Guesthouse zurückzukehren, aus dem einen Hotel auszuchecken und ins nächste einzuchecken.
Aber vorher müssen natürlich noch Fotos gemacht werden. Ich halte meinem Freund mein Handy unter die Nase. „Kannst du mal noch hier ein Foto machen von mir?“ Er seufzt, nimmt es wortlos entgegen. Ich stelle mich vor eine der großen Pyramiden. „Aber nicht die Beine abschneiden“, weise ich ihn an. Er verdreht die Augen, ich ignoriere es.
Gerade als ich mich gekonnt in Szene setze, taucht er auf. Der Palituchmann.
„Hello, my friend! Wait, wait, I help you!“
Boah, nee. Nicht schon wieder. Ich überlege noch, ob ich ihn einfach ignorieren kann, aber ehe ich reagieren kann, hat er mir bereits ein buntes Tuch über den Kopf geworfen.
„Very good, very good! Like real Bedouin! Look, my friend!“ Er dreht mich halb herum, zupft am Stoff, knotet ihn mit beeindruckender Fingerfertigkeit fest. Mein Freund bekommt ebenfalls ein Tuch verpasst.
Mein Freund blickt ihn skeptisch an. „How much?“
Er hebt sofort abwehrend die Hände. „No, no! For free, my friend! No money, no problem! Just photo, Egyptian style!“
Mein Freund und ich schauen uns an. Wir beide wissen: Das wird teuer.
Jetzt stehen wir also mit den Tüchern vor der Pyramide und werden animiert, diese klassische Touristenpose einzunehmen – Arm ausgestreckt, so tun, als würde man die Spitze der Pyramide berühren.
„Okay, okay! Now—yes, like this! Hold your hand up—no, higher! No, little bit down! Yes! Now you touch pyramid! Beautiful!“
Nach mehreren gescheiterten Versuchen erklärt er das Shooting für beendet. Ich schaue mir die Bilder an und stelle fest: Ich berühre genau gar nichts, aber dafür sehe ich aus wie der letzte Vollidiot. Was soll ich denn jetzt auf Instagram posten?! Ich bin sauer. Meine Pyramiden-Insta-Story, die mich weltoffen und cool aussehen lassen sollte, kann ich mir in die Haare schmieren.
„Okay, my friend! Fifteen euros, special price!“
Ich lache trocken. „For free, huh?“
„Ahhh, but good quality! Real Bedouin style! Normally twenty, but for you, my friend, fifteen!“
Ja, good quality, das sehe ich. Wenn mich mal jemand erpressen will, dann locker mit diesen Fotos.
Ich seufze, gebe auf, zahle. Mein Freund auch. 30 Euro später sind wir also doch noch stolze Besitzer von Palitüchern geworden, die wir nie kaufen wollten.
Gerade als wir uns aus dem Staub machen wollen, setzt er noch einen drauf.
„Bakschisch for the photos!“
Ich blinzele. „Wait—what?!“
„Photo service, my friend! Small tip! Just little!“
Mein Freund will nicht mehr diskutieren, schiebt ihm einen weiteren Schein zu und verabschiedet sich. Ich will das aber nicht auf mir sitzen lassen. Gerade als ich zur ultimativen Schimpftirade ansetzen will, erinnere ich mich an den Marlboro-Polizisten. Lieber jetzt die Klappe halten und jetzt klein beigeben, denke ich mir. Bei einem Rechtsstreit hast du keine Chance.
Not a good place
Zurück im Guesthouse erwartet uns die nächste unangenehme Situation: Wir müssen den Hosts erklären, dass wir vorzeitig auschecken. Natürlich können wir ihnen nicht einfach sagen, dass wir Angst haben, in dieser Unterkunft einen noch unbekannten Virus zu entwickeln und damit die zweite große Pandemie nach COVID auszulösen. Dummerweise sind die Hosts unglaublich freundlich – und ich, wenn Menschen nett zu mir sind, ein absoluter People-Pleaser. Ich schiebe also meinen Freund vor und tue so, als würde ich nicht zu ihm gehören.
Die Hosts tragen es mit Fassung, lächeln sogar verständnisvoll und schenken uns zum Abschied noch eine traditionelle Kette. Großartig. Jetzt fühle ich mich doppelt schlecht. Mit einem leicht schlechten Gewissen steigen wir ins Taxi.
Mohamed, unser bisheriger Taxifahrer des Vertrauens, hat heute leider andere Kundschaft. Ich verstehe das, bin aber trotzdem ein bisschen eifersüchtig. Stattdessen bringt uns ein Uber-Fahrer zu unserer neuen Unterkunft. Die Bilder sahen vielversprechend aus, und nach all den Rückschlägen bin ich bereit für meine mehr als verdiente Belohnung.
Nach zwanzig Minuten verkündet die Uber-App, dass wir gleich da sind. Ich blicke aus dem Fenster und verstehe es nicht. Die Gegend sieht immer noch heruntergekommen aus. Irgendwie hatte ich mir das anders vorgestellt, nehme mir aber vor, mich nicht direkt abschrecken zu lassen. Vielleicht liegt das Hotel ja in einer Nebenstraße, wo die Welt auf magische Weise plötzlich ganz anders aussieht.
Der Fahrer biegt in einen Hof ein und sagt: „We are here.“
Ich schaue raus.
Mein Freund schaut raus.
Selbst der Fahrer sieht verwundert raus.
Vor uns steht ein hoher, grauer Plattenbau. Mehrere Stockwerke, aber keine ersichtlichen Hotelschilder. Teilweise fehlen Fenster, einige sind notdürftig mit Pappe oder Stoff abgedeckt. Es ist offensichtlich kein klassisches Hotel, sondern ein Meth-Labor
Auf dem Hof lungern zwielichtige Gestalten herum, deren Blick uns sofort streift. Mein Freund will gerade aussteigen, doch ich packe ihn am Arm.
„Hier steige ich nicht aus. Hast du dir das mal angeguckt? Wenn wir hier aussteigen, stechen die uns locker ab. Das Haus sieht aus, als würden die hier Meth kochen.“
Auch der Taxifahrer bemerkt meine Unsicherheit und nickt zustimmend. „Not a good place. Very dangerous. Especially at night.“
„Hast du gehört? Not a good place! Und wenn der Taxifahrer das schon sagt!“, wiederhole ich.
Wir checken noch einmal die Adresse. Vielleicht liegt ja ein Irrtum vor. Nein. Es ist die richtige Adresse.
Ich sehe meinen Freund an. „Wir werden draufgehen. Da bin ich mir sicher.“
Mein Freund atmet tief durch. „Also gut. Plan C.“
Plan C bedeutet: Schnell ein neues Hotel buchen. Also tippt mein Freund hektisch auf seinem Handy herum, während ich den Fahrer anflehe, uns bloß nicht aussteigen zu lassen. Wenige Minuten später steht fest: Es gibt ein freies Zimmer in einem guten Hotel. Ich kann mein Glück kaum fassen.
Als wir dort ankommen, fühlt es sich an, als hätten wir die Endstufe der Zivilisation erreicht. Saubere Zimmer! Leckeres Essen! Ein Pool!!! Ich schmelze fast dahin. Jetzt kann es nur noch besser werden, bin ich mir sicher!
Ich wünschte, ich könnte sagen, dass das der Wendepunkt war. Dass ab hier tatsächlich alles besser wurde. Aber nein. Kairo hatte noch ein Ass im Ärmel – und das wartete geduldig auf uns…
Hinweis: Werbung, unbeauftragt! Bei diesem Text handelt es sich um einen redaktionellen Beitrag, der unbeabsichtigt durchaus eine werbende Wirkung beim Leser haben könnte, ohne dass ich von irgendeinem Unternehmen dafür beauftragt wurde!